Mutmacher für Autor:innen

Es begann im Jahre 1988 – ich saß an meiner Schreibmaschine und starrte ins Leere. Eigentlich sollte ich Briefe für meinen Chef abtippen, aber an diesem Freitag Nachmittag hatte ich keine Lust mehr. Und – ob man es mir glaubt oder nicht – plötzlich sah ich einen Engel über die Wiese fliegen.

Nur Bruchteile von Sekunden später hörte ich eine Stimme – war sie in mir oder außerhalb von mir? – die eindringlich sagte: „Du schreibst jetzt!“ Ich schaute in alle Schubladen und Schränke, aber hier hatte sich niemand versteckt, der mir einen Streich hätte spielen können. Auch kein Tonbandgerät, keine Lautsprecher – einfach nichts.

Zurück an meinem Platz wollte ich zum Hörer greifen und endlich den Notarzt anrufen, denn ich dachte, ich drehe durch und fühlte mich schon seit Wochen irgendwie neben mir selbst stehend. Aber meine Hand blieb ausgestreckt in der Luft hängen und bewegte sich keinen Millimeter mehr weiter, so sehr ich es auch wollte.

Da war sie wieder, diese Stimme im Bundeswehr-Befehlston, die sich gut mit einem brüllenden Spieß messen konnte: „Du schreibst jetzt!“ Automatisch ohne den Rest eines eigenen Willens griff meine wehrlose Hand in die Schreibtischschublade, wurschtelte umständlich ein Blatt Papier heraus, drehte es schnell in die Schreibmaschine ein und meine Finger tippten und tippten und tippten. Wie in Trance tippte ich ein Märchen und hörte erst auf, als der Engel aus dem Moor gerettet worden war.

Wir schreiben nunmehr das Jahr 2000: Ein sehr guter Freund von mir, der gern im Internet surft und dem meine Schreibanfälle wohl bekannt waren, überreicht mir eines Tages grinsend einen Computerausdruck. Da konnte man Bücher auf Bestellung machen! „Das ist genau das richtige für dich. Und jetzt bringe bitte endlich deine Bücher auf den Markt!“ Bei dem Gesichtsausdruck wäre jede weitere noch so leichte Anwandlung nach einem Widerspruch völlig sinnlos gewesen – oder ich hätte diese wunderbare Freundschaft wahrscheinlich für immer und ewig und alle Zeiten verspielt.

Ich zog also Erkundigungen ein so viel ich konnte und war ganz aufgeregt, eine unbekannte Art von Abenteuerlust hatte mich gänzlich vereinnahmt – jetzt würden endlich meine Bücher erscheinen! Monatelang verbrachte ich fast jede freie Minute am PC, um das in mehr als zehn Jahren von mir gesammelte Material – Gedichte, Märchen und ein Sachbuch - zu sortieren, korrigieren und layouten.

Aber ich hatte immer noch Zweifel. Wozu das Ganze? Es gibt doch so viele gute Bücher auf dem Markt... Ich habe bestimmt keine Chance... Alle Verlage hatten meine Skripte abgelehnt... Kein Bedarf... Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Thema nicht in unser Verlagsprogramm passt... Bei einer Kostenbeteiligung ihrerseits von 5.000,-- € ...

Wir haben Interesse an ihrem Buch, aber die Seitenzahl ist uns zu hoch. Könnten sie zwei Drittel des Buches kürzen?

Aber meine Freunde ließen nicht locker. „Du musst auch die Geschichte mit dem Delphin unbedingt schreiben! So etwas erlebt man nicht alle Tage! Du findest bestimmt einen Weg zur Veröffentlichung!“ Ein anderer meinte: „Deine Märchen sind etwas Besonderes. Teile Sie mit anderen Menschen. Damit kannst du auch Hilfe geben!“ Eine Freundin fragte: „Hast du das Buch über Rebirthing etwa nur zum Spaß geschrieben, oder was?“

Ich ließ mich überzeugen und brachte auch meinen Verstand dazu, wenigstens ein bisschen daran zu glauben, dass ich die ohnehin nur geringen Kosten für die Herstellung der Bücher wieder einspielen würde. Einige Monate später hatte ich dann endlich das erste Buch in der Hand und bestaunte es ganze zehn Minuten lang, drehte und wendete es in meinen Händen und konnte es gar nicht begreifen! Ein Traum, der zehn Jahre lang im Geheimen in mir geschlummert hatte, war nun endlich Wirklichkeit geworden.

Dieser Zeitraffer hört sich vielleicht einfach an – aber die Realität ist es nicht. Es war natürlich von Anfang an klar, dass mich dieses Angebot, meine Bücher auf Bestellung zu drucken, sehr verlockte. Die Kosten für das Masteringverfahren der Bücher war erschwinglich und konnte ungesehen jeder weiteren emotionalen Krise wegen der Absage eines großen Verlages stand halten.

Allein die Vorstellung, nicht mehr auf Nachrichten der Verlage bangend warten zu müssen, reichte aus, den Mut zusammen zu nehmen und meine Bücher selbst zu veröffentlichen. Ein gänzlich neuer Spießrutenlauf in einem unbekannten Metier begann. Die Formvorschriften für das Seitenlayout wollten beachtet werden. Sind auch alle Fehler korrigiert? Wie, bitte, gestaltet man ein Buchcover? Ist das Geschriebene wirklich wert, veröffentlicht zu werden? Was sind ps-Dateien und was ein Buchblock? Wie errechnet sich der Verkaufspreis des Buches? Was ist eine ISBN Nummer und wie bekomme ich die?

Aber auch damit ist es ja noch lange nicht getan. Hat man erst mal das Buch in Händen – dann möchte man es auch verkaufen. Oder würde es ihnen anders gehen? Man wird normalerweise nicht von heute auf morgen zum Bestsellerautor. Ich hielt tatsächlich meine Bücher in Händen – und kein großer Verlag kümmerte sich um mich, ich musste es selbst tun. Ich musste in die Buchhandlungen gehen und meine Bücher anbieten – und auch Absagen kassieren, die mich wieder einmal zweifeln ließen.

Es ist nicht ganz einfach, Autor oder Autorin oder gar Verlegerin zu sein – aber es macht auch einen riesigen Spaß, wenn man mit Geduld und Disziplin am Vorankommen arbeitet. Wenn sich die ersten Erfolg einstellen und die erste Lesung in einer Buchhandlung guten Anklang findet, dann motiviert das zum Weitermachen und zum Durchhalten.

Die meisten Wege in dieser Welt sind steinig und manchmal auch beschwerlich – aber ist man diesen Weg gegangen, ist das eigene Gefühl, es geschafft zu haben, sich seinen Traum verwirklicht zu haben, nicht mit allem Geld der Welt zu ersetzen! Und dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob 10 oder 10.000 Bücher verkauft werden – allein das Tun zählt.

In diesem Sinne möchte ich allen (angehenden) Autoren und Autorinnen den Mut machen, den geheimen Träumen zu folgen. Wenn wir uns damit gegenseitig ein wenig unterstützen und motivieren, dann werden unsere Träume, Phantasien und Wünsche auch eines Tages in der Welt Fuß fassen können.

Herzlichst,
Gudrun Anders